Die Macht hinter unseren Vorlieben: Gene, Mikroben und Umwelt

 

Unsere Gene, Mikroben und unsere Umwelt beeinflussen uns stärker in Bezug auf unsere Vorlieben, als wir uns bewusst sind. Dies gilt für Bereiche wie Essen, Partnerwahl oder Politik.

Unsere Vorlieben sind ein Ausdruck unserer Identität. Ob es nun unser Geschmack bei Essen, Wein, potenziellen Partnern oder politischen Parteien sind – unsere Präferenzen sagen viel über uns aus. Daher dachte ich, dass meine Vorlieben und Abneigungen sorgfältig überlegt und rational entstanden sein müssen – also durch eine bewusste Wahl, die ich treffe und kontrolliere.

Toxoplasma gondii ist ein Einzeller, der das Verhalten des Wirts, den er infiziert hat, verändern kann. Er kann beispielsweise dafür sorgen, dass Ratten ihre Angst vor Katzen verlieren. Durch die Ergebnisse von Studien stellte man sich die Frage, ob es noch andere Faktoren gibt, die unbemerkt unsere Identität formen und kontrollieren. Man grub sich in wissenschaftlichen Publikationen und stieß schließlich auf eine überraschende und beunruhigende Wahrheit: Handlungen werden von versteckten biologischen Kräften gesteuert.

Es erscheint lächerlich, doch wir müssen uns fragen: Steuern wir unsere Handlungen tatsächlich selbst? Schon von klein auf hören wir, dass wir alles tun und werden können, was wir wollen. Aber ist diese Annahme nicht viel zu einfach? Der Gedanke, dass wir nur Fleischroboter sind, die von unsichtbaren Mächten gesteuert oder gelenkt werden, ist regelrecht absurd. Vor einigen Jahren konnte man dieser Aussage zustimmen. Aber als auf der Grillparty immer wieder die Frage entgeistert gestellt wurde, warum bestimmte Gemüsesorten nicht gemocht wurden, begann man sich so vorzukommen, als würde irgendetwas nicht stimmen. Aber warum schmeckt kein Brokkoli?

Es gibt ungefähr 25 Prozent der Menschen, die Brokkoli nicht mögen. Diese Gruppe verfügt über bestimmte Variationen jener Gene, die für die Bildung der Geschmacksrezeptoren verantwortlich sind. Eines dieser Gene, TAS2R38, erkennt bittere Substanzen wie Thioharnstoffe in großer Menge vorhanden in Brokkoli. Die DNA beschert ihnen Geschmacksknospen, die diese chemischen Verbindungen als besonders bitter wahrnehmen können. Womöglich soll es sie davor bewahren, Giftpflanzen zu essen. Der Grund, warum Brokkoli gehasst wird, ist gleichermaßen erleichternd wie verstörend. Es ist erleichternd zu erfahren, dass die Abneigung gegen Kreuzblütengewächse nicht der Fehler des Individuums ist. Aber die Erleichterung wandelte sich in Unbehagen um und die Frage stieg auf: Welche anderen Dinge über deren Vorlieben das Individuum keine Kontrolle hat, bestimmen über sein Selbst?

Es ist nicht genau erforscht, warum Menschen zu bestimmten Geschlechtern hingezogen sind, aber es scheint, als wäre es eine genetische Präferenz. In vielen Kulturen gelten bestimmte Eigenschaften wie ein wohlgeformter Mund, leuchtende Augen und volles, glänzendes Haar als attraktiv. Studien zeigen, dass attraktivere Leute eher einen Job bekommen, mehr Geld erhalten, schneller einen Partner finden und selbst vor Gericht öfter als unschuldig eingestuft werden.

Evolutionäre Psychologen sind der Ansicht, dass praktisch alles, was wir tun, aus dem unterbewussten Drang heraus erwächst, zu überleben, unsere Gene weiterzugeben oder unsere Familie und andere Individuen zu unterstützen, die Gene wie die unsrigen in sich tragen. Sie vertreten auch die Annahme, dass viele körperliche Merkmale, die wir als attraktiv empfinden, Anzeichen einer guten körperlichen Gesundheit und Fitness sind. Die Wissenschaft hat auch eine etwas tröstliche Antwort darauf, warum unsere romantischen Annäherungsversuche mitunter erfolglos enden. In einer berühmten Studie sollten Frauen an den Achselschweißflecken von T-Shirts riechen, die zuvor von Männern getragen wurden. Im Anschluss sollten sie den Geruch bewerten. Das Ergebnis: Je mehr sich die Immunsystem-Gene der Männer und Frauen ähnelten, desto schlimmer stank das T-Shirt für die Frauen. In diesem Fall nutzen die Gene gewissermaßen die Geruchsrezeptoren, um festzustellen, ob die DNA eines potenziellen Partners gut passen würde. Solche Studien bestätigen die alte Binsenweisheit, dass „die Chemie stimmen muss“.

Wissenschaftler haben herausgefunden, dass bestimmte Persönlichkeitsmerkmale mit Personen an den entgegengesetzten Enden des politischen Spektrums assoziiert werden. Generell neigen links eingestellte Menschen dazu, eher unvoreingenommen und kreativ zu sein und sind auf der Suche nach neuen Erfahrungen. Konservative ziehen hingegen geordnete und stabile Verhältnisse vor und sind konventioneller. Mehrere Studien deuten darauf hin, dass Varianten unseres Gens DRD4 (Dopamin-D4-Rezeptor) sich auf unsere politische Einstellung auswirken. Dopamin zählt zu den wichtigen Neurotransmittern im Gehirn und spielt im Belohnungs- und Lustzentrum eine Rolle. DRD4-Variationen wurden mit einer gewissen Risikobereitschaft und der Suche nach neuen Erfahrungen in Verbindung gebracht – Verhaltensweisen, die eher mit links eingestellten Menschen assoziiert werden.

Unterschiede im Gehirn von Linken und Konservativen könnten sich auf die jeweilige Stressreaktion auswirken. Konservative haben beispielsweise oft eine größere Amygdala, die eine wichtige Rolle für das Furchtempfinden spielt. Auf gewisse Weise fordert man Leute damit nicht nur auf, ihre Ansichten zu ändern, sondern auch, sich gegen ihre Biologie zu wehren.

Fazit: Wenn wir verstehen, woher bestimmte Verhaltensweisen kommen, kann es einfacher sein, sie zu beheben. Wenn wir begreifen, dass manche Menschen keine oder wenig Kontrolle darüber haben, ob ihnen Brokkoli schmeckt oder nicht, kann man es mit Lob oder Verständnis versuchen.


 

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